Motif kleines Schicksal

Kleines Schicksal oder Das ganz alltägliche Elend

Vorführungstermine:

26. und 28. September 2016 um 20 Uhr

Kleines Schicksal

oder
Das ganz alltägliche Elend

Eine aktualisierte Lesung der Erzählung von Joseph Funck

mit Eugénie Anselin, Max Gindorff und Anouk Wagener
Aktuelle Interviews von Annick Goerens

Textauswahl und mise en espace: Ensemble zusammen mit dem Team des Kasemattentheaters

eine Koproduktion des Kasemattentheaters mit dem CNL

am Montag, den 26. und Mittwoch, den 28. September 2016
um 20 Uhr im Kasemattentheater

Bei seinem Erscheinen im Jahr 1934 wurde Joseph Funcks Erzählung Kleines Schicksal hoch gelobt: Es sei das “wertvollste Werk des luxemburgischen Gegenwarts-Schrifttums” meinte Evy Friedrich, für Batty Weber nahm es in der luxemburgischen Literatur “die erste Stelle ein” und Joseph-Émile Muller befand, es gehöre “zu dem Besten (...), das bis heute hier geschrieben wurde.” Mit der Erzählung werde, so meinte Albert Hoefler, nicht weniger als “ein neuer Abschnitt in der Luxemburger Epik beginnen”. Noch 1963 konnte zu Recht geschrieben werden, Kleines Schicksal sei “der erste und bisher auch letzte soziale Roman (...), den unser deutschsprachiges Schrifttum hervorbrachte”. Kleines Schicksal spielt im Milieu des Lumpenproletariats der Unterstadt und schildert die letzten Tage im Leben des Hundekotsammlers Jim Steller, der sich zur Ausübung seiner Tätigkeit täglich ins gutbürgerliche Gedränge der Oberstadt begibt. Die Handlung setzt ein, als der schwind- und trunksüchtige Protagonist eines Morgens einen Zusammenbruch erleidet. Er wird ins Krankenhaus eingeliefert und gerät in die Obhut eines jungen Arztes. Dieser möchte Jim – gegen dessen Willen – seinem Milieu entreißen, doch das medizinisch-soziale Experiment schlägt am Ende fehl.

“Nicht bemitleiden, nicht auslachen, nicht verabscheuen, sondern verstehen!” – so lautete das Credo Pierre Bourdieus für seinen Band Das Elend der Welt (1993) mit Interviews von Menschen aus den Pariser Vororten, die sonst weder zu Wort kommen noch gehört werden. Die Lesung des Kasemattentheaters wird mit Interviews der heutigen Bewohner der Unterstadt, über ihre Situation zwischen ausgeprägter Gentrifizierung, Wohnungsmangel, Migration und Interkulturalität, angereichert. Wenn auch heute gesellschaftliche Polarisierungen und Marginalisierung in Europa zunehmen, wenn über den richtigen Umgang mit und die adäquate Beschreibung von sozialen Unterschieden nachgedacht wird, so ermöglicht die Erzählung Kleines Schicksal einen aufschlussreichen Brückenschlag von heute zurück zur Weltwirtschaftskrise der 20er und 30er Jahre. Das Kasemattentheater versucht eine aktualisierende Lektüre eines sozialen Romans und somit der Lesung eines literarischen Werks zusätzliche historische und gesellschaftliche Tiefenschärfe zu verleihen.

Quelle: Joseph Funck : Kleines Schicksal. Erzählung. Vorgestellt und kommentiert von Pierre Marson. Mersch : CNL, 2002.

 

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