Unglücklich die Zeit, die Helden nötig hat!

Mit der Unterstützung der Fondation Robert Krieps


Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Luxemburger Bevölkerung, vor allem von führenden Politikern der Rechtspartei, sehr schnell in zwei Gruppen unterteilt: 95 Prozent der Luxemburger wären demnach heldenhafte Widerständler gewesen, daneben hätte es eine, nur verschwindend kleine Gruppe von Kollaborateuren gegeben. Doch zwischen sehr seltenem Heldentum und aktiver Kollaboration, gab es vor allem sehr viele Grautöne. Die Frage ob hohe Beamte nur auf Druck der Besatzer gehandelt haben oder ob sie auch selbst Initiativen ergriffen haben, wurde bewusst nicht gestellt. Und doch ist diese Frage grundlegend für die Situation und das Selbstverständnis des Luxemburger Staates nach dem Naziüberfall. Als die Wehrmacht am 10. Mai 1940 in Luxemburg einmarschierte, war nichts wirklich vorbereitet. Die Regierung floh ins Ausland und eine aus hohen Beamten bestehende Regierungskommission, wurde gegründet. Ende Juli 1940 wurde die deutsche Zivilverwaltung, mit Gauleiter Gustav Simon an der Spitze, eingesetzt. Die Regierungskommission wurde in Verwaltungskommission umbenannt und wurde wohl oder übel zu einer Art Mittelinstanz zwischen den Deutschen Besatzern und den unteren luxemburgischen Behörden. Als die Verwaltungskommission dem Gauleiter nichts mehr brachte, wurde sie Ende 1940 aufgelöst.

So klein er auch gewesen sein mag, so hatten die hohen Beamten doch wohl in der Frühzeit der Besatzung noch einen gewissen Handlungsspielraum. Einige Mitglieder der Verwaltungskommission halfen jedoch, bewusst oder unbewusst, der deutschen Zivilverwaltung, den luxemburgischen Staatsapparat zu übernehmen. Louis Simmer, in der Verwaltungskommission zuständig für das Schulwesen, richtet und unterzeichnet, zumeist auf Anweisung von Gustav Simon, Rundschreiben an die Distriktsleiter, Inspektoren und Lehrkräfte. In dem Rundschreiben vom 6. September steht beispielsweise, dass die Lehrer eine Liste ihrer jüdischen Schüler erstellen sollten. Dabei hätten die Deutschen eine solche Liste zu diesem Zeitpunkt noch nicht ohne Beihilfe der luxemburgischen Behörden erstellen können. Obwohl der stets wachsende Druck auf die Beamten, zum Beitritt in die VdB (Volksdeutsche Bewegung), erst ab dem 25. Oktober zu kollektiven Beitritten führt, erklärt Oberinspektor Reuland bereits Mitte September 1940 in einer Rede vor jungen Lehrern: „Ich als Oberinspektor bin der VdB beigetreten und rate Ihnen dasselbe zu tun.“

Die Texte für diese Lesung stammen vor allem aus den Epurations- und Verwaltungsdossiers von Louis Simmer, von Oberinspektor Reuland und von dem für den Kreis Esch zuständigen Inspektor Nicolas Schmit, dessen „offenes Bekenntnis zum Deutschtum und zur nationalsozialistischen Weltanschauung“ ihm von den Nazis hoch angerechnet wurde. Hier kann man durch ihre persönlichen Stellungnahmen ihre unverfälschten Stimmen hören, die Beschreibung ihrer angeblichen Gewissensnöte, ihre als Besonnenheit getarnte Feigheit, ihre nachträglichen Rechtfertigungen, dass sie doch eigentlich alles in ihrer Macht stehende richtig gemacht hätten... Die Lesung wird kontrapunktisch ergänzt durch die wütende, manchmal schrille Stimme des Lehrers und großen Resistenzlers Albert Wingert, der, nach seiner Rückkehr aus Hinzert und Mauthausen, vergeblich nach Aufklärung und Gerechtigkeit in der Nachkriegszeit verlangt.

 

Vorführungstermine:

26. und 28. Oktober 2015